Wer auch immer die Wahl gewinnt – Bibi soll weg. Die Heinrich-Böll-Stiftung verpackt das vornehm unter dem Titel: „Der Abschied von Netanyahu fällt schwer“, und behauptet, dass sich die Sicherheitslage in Israel verschlechtert habe. Daran sei der Ministerpräsident schuld. Die Medien verachten Netanjahu wegen seiner Siedlungspolitik und die Frommen sehen in ihm den Feind, weil er Orthodoxe zum Wehrdienst zwingt.
Das Bibi – Bashing treibt immer kuriosere Blüten
Präsident Obama schien düpiert, weil Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Einladung zu einer Rede im amerikanischen Kongress angenommen habe, ohne vorher das Weisse Haus zu informieren. Wie sich inzwischen durch eine „versteckte“ Korrektur in der New York Times lesen liess, war das Weisse Haus aber doch vorab benachrichtigt worden. Der beleidigte Obama liess Netanjahu zudem mitteilen, dass er keine wahlkämpfenden Politiker empfange. Das könne ihn in den Geruch bringen, sich in den Wahlkampf eines fremden Landes einzumischen. Ein ehrenwerter Vorsatz, an den sich amerikanische Präsidenten nicht wirklich halten. Shimon Peres wie Angela Merkel durften sich mitten im Wahlkampf mit einem amerikanischen Präsidenten ablichten lassen.
Am Rande der Sicherheitskonferenz in München trafen US-Vizepräsident Joe Biden und US-Aussenminister John Kerry Netanjahus Hauptrivalen, den durchaus wahlkämpfenden Vorsitzenden der Partei „Zionistisches Lager“ (ehemals Arbeitspartei) Yitzhak Herzog. Biden und Kerry verkündeten, Netanjahu nicht treffen zu wollen. Biden werde im Ausland sein. Doch dessen Büro weiss nicht einmal, wohin er reisen werde, um einer Begegnung mit Netanjahu aus dem Weg zu gehen. Siegesgewiss konnte Herzog nach seinem Treffen mit den Amerikanern im israelischen TV-Kanal 10 über die „Tiefe der Krise zwischen Netanjahu und der Regierung unter Obama“ erzählen: „Netanjahu wird keinen einzigen offiziellen Amerikaner treffen, weder der Nationalen Sicherheitsagentur, des Weissen Hauses, noch des Aussenministeriums“ Weiter verkündete Israels Oppositionschef: „Es ist ein vollständiger Boykott.“
Jenseits der Krise mit den Amerikanern stellt sich natürlich auch die Frage an Netanjahu, ob es weise war, die Einladung der amerikanischen Opposition anzunehmen. Israels Opposition jedenfalls fordert vom Ministerpräsidenten, auf den Flug nach Washington zu verzichten. Doch das würde Netanjahu als „Schwäche“ und „Einknicken“ ausgelegt werden und ihm wahltaktisch wohl mehr schaden, als sich trotz des geplanten „Boykotts“ stur zu stellen.
Obgleich die Gegner Netanjahus im In- und Ausland, allen voran in den Medien, zahlreiche Argumente vorbringen, weshalb Netanjahu eine Katastrophe für sein Land sei, scheint vorläufig alles an ihm abzuprallen. Selbst uralte und neu aufgetischte „Skandale“ wie das Verhalten seiner Frau im Fall des Flaschenpfandes oder übertriebener Genuss von Pistazieneiscreme auf Kosten der Steuerzahler, haben seinen Umfragewerten bisher nicht geschadet. Im Gegenteil. 64 % der befragten Israelis halten ihn weiterhin für den fähigsten Politiker auf dem Posten des Ministerpräsidenten. Seine Likud-Partei behauptet sich mit 26 zu 22 Mandaten für das „Zionistische Lager“ als grösste Partei. Und bei der Berechnung einer Regierungskoalition hat Netanjahu weiterhin bessere Chancen als Herzog mit dem „Zionistischen Lager“. Aus überhörten Gesprächen im Bus und in der Strassenbahn erfährt man, dass manche Israelis empört sind über die „Kampagnen“ gegen Netanjahu und die „öffentlichen Beleidigungen“. Die Reaktion: „Jetzt erst recht Bibi wählen“.
Bei den übrigen Parteien gibt es teilweise dramatische Einbrüche. Stark abgestürzt ist Avigdor Lieberman wegen Korruptionsverdacht unter seinen engsten Mitarbeitern. Auch der ehemalige Finanzminister Yair Lapid hebt nicht ab. Ihm wird die wirtschaftliche Misere angelastet. Der rechtsgerichtete Naftali Bennett an der Spitze des „Jüdischen Heims“ macht zwar Schlagzeilen mit provozierenden Sprüchen, vor allem gegen Araber, doch die Wähler laufen weg, zum „gemässigten“ Likudblock Netanjahus. Ähnlich desolat sieht es bei der linken Meretz Partei aus. Ihre Anhängerschaft ist auf nur noch fünf oder sechs Mandate geschrumpft, je nach Umfrage.
Vorerst scheint der Spruch „Bloss nicht Bibi“ ein frommer Wunschtraum der Gegner Netanjahus zu bleiben. Doch die fast 50 Tage bis zum 17. März sind für Nahost eine Ewigkeit. Vielleicht schaffen es ja die vereinten Kräfte der Opposition, der internationalen Medien und der amerikanischen Regierungsspitze, bis zum Wahlabend in Israel ein neues Volk zu schaffen. Es wäre nicht das erste Wunder in Jerusalem.